Bildungslandschaft: Zwischen Park und Stadt:
Das Potential des Ortes mit seiner reizvollen topographischen Situation und den markanten historischen Fabrikgebäuden wird genutzt, um das Gelände der Kasseler Universität im Sinne einer Bildungslandschaft weiterzuentwickeln. Es soll eine Umgebung entstehen, die das individuelle ebenso wie das gemeinsame Forschen, Lehren und Lernen begünstigt; wo landschaftliche Elemente wie Plateaus, Nischen, Sonnenterrassen und Liegewiesen im Zusammenwirken mit stadträumlichen Elementen wie Gassen, Plätzen und Freitreppen unterschiedliche Raumqualitäten schaffen, die stimulierend wirken und Freiräume geben. Für die einzelnen Nutzungen entstehen dabei gut zugeschnittene Baufelder. Die Baustrukturen sind räumlich großzügig, ohne mit der Maßstäblichkeit des bestehenden Campus zu brechen. Einzelne Bestandsgebäude und Neubauten gewinnen durch ihre Stellung im Gesamtkonzept den Rang urbaner Merkzeichen und unterstützen die Orientierung.
Urbane Achse, Durchblicke ins Grüne:
Der Campus Nord liegt zwischen den Polen des bestehenden Campus im Süden und dem Nordstadtpark im Norden. Das Maß der baulichen Nutzung erlaubt es, einen linearen Park in Verlängerung des Nordstadtparks nach Süden entlang der Ahna anzulegen. Die bebaute Zone bildet dabei eine deutliche Raumkante zum Park aus.
Das Gefüge der Außenräume innerhalb des bebauten Gebiets knüpft an ein bestehendes Achsensystem an, dessen Fokus in der Senke südlich der Mensa liegt. Von hier aus wird eine urbane Achse gen Norden aufgespannt, entlang derer das Hörsaalgebäude mit Campus Center, die naturwissenschaftlichen Institute, das Studentenwohnen und schließlich der Fachbereich ASL angesiedelt werden. Obwohl auch hier die Raumkanten gut ablesbar sind und den Außenräumen klare Konturen verleihen, erlauben die gewählten Baustrukturen doch immer wieder Durchblicke zum Grünraum.
Zur Stadtseite hin werden die Blockkanten entlang der Gottschalkstraße und der Mombach- wie der Moritzstraße arrondiert; zum Grünen hin bildet eine Folge von Solitärbauten mit Innenhöfen eine durchlässige Bebauungskante.
Durch die polygonalen Zuschnitte ist die Struktur aus Solitärbauten in der Lage, präzise auf den Bestand zu reagieren. So werden die beiden "Kopfbauten" zum Park hin integriert, wobei sie über die Gebäudestirnen weiterhin als prägende Merkzeichen des Nordcampus wirken können. Das Gebäude K 19 hingegen wird freigestellt und kann weiterhin als Club genutzt werden.
Die geometrische "Matrix" des Entwurfs läßt auch Raum für zukünftige Erweiterungen.
Zentrale Funktionen: Hörsaalzentrum, Campus Center, Bistro:
Das Hörsaalzentrum wird auf der bisher als Parkplatz genutzten Fläche westlich der Mensa vorgesehen. Durch die Bebauungsdichte und die Nutzung wirkt es als zentraler Baustein des alten wie des neuen Campus und integriert diese beiden. Durch die Lage südlich der Moritzstraße bildet es einen Verbund zusammen mit der Mensa, andererseits formuliert es ein Pendant zum Bistro auf der Nordseite der Moritzstraße. Beide Nutzungen bilden einen Keil zentraler Funktionen, der den Link zwischen Süd- und Nordcampus herstellt und die Moritzstraße visuell überbrückt. Das Hörsaalzentrum grenzt auf seiner Westseite an einen kleinen Platz; mit seiner Südost-Ecke weist es auf den Schnittpunkt der Campusachsen südlich der Mensa. Es wird folglich von zwei Seiten her erschlossen und weist eine interne Durchwegung auf.
Naturwissenschaften und Science Park: Plateaus, Raumkanten, Innenhöfe:
Die naturwissenschaftlichen Institute werden als Folge von Solitärbauten vorgeschlagen, die unterhalb der gemeinsamen Plateaus räumlich verbunden werden können. Die meist zweibündig organisierten Anlagen gliedern sich um grüne Innenhöfe oder haben Zugang zu Terrassen, von denen aus sich ein Ausblick über das Ahnatal bietet. Die Institute haben ihre Adresse an der urbanen Achse.
Die nördlich anschließenden Module des Science Parks werden möglichst nahe an die bestehende Bebauung im Westen herangerückt, um den räumlichen Zusammenhang des Parks nicht zu unterbrechen. Durch die vergleichsweise geringere Größe der Bausteine ergibt sich die Möglichkeit, die "Körnung" der Solitärbauten entlang des Parks zu differenzieren und einen Schwerpunkt in dem Bereich südlich der Kopfbauten zu bilden.
ASL: Hofbildung durch Solitärbau:
Die Gebäude des Fachbereichs Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung ordnen sich um einen großzügigen Hofbereich. An seiner Ostseite wird dieser durch den Neubau ASL begrenzt. Durch die partielle Aufständerung dieses Baukörpers wird aber der Weg in den Park nicht verriegelt. Stadträumlich kann der Neubau für ASL, der im Prinzip als Solitär konzipiert ist, mehrere Aufgaben wahrnehmen: Mit seiner schmalen Stirn an der Südseite setzt er einen vorläufigen Endpunkt der urbanen Achse, an der Westseite definiert er den Hof des Fachbereichs ASL. Die schmale Nordfront ermöglicht, daß das "Hintergebäude HaFeKa" als vierte Hofseite wirkt.
Topographie und Höhenentwicklung:
Der Höhenunterschied von 6 Metern innerhalb des Geländes führt zur Ausbildung von zwei Plateaus. Die absolute Höhe der Dachkanten bleibt dabei gleich, was die Wahrnehmung der topographischen Situation unterstützt. Lediglich der Neubau des Fachbereichs ASL ragt etwas über die umgebenden Neubauten hinaus, geht jedoch in der Höhe über das bestehende Torhaus A nicht hinaus. Die moderate Höhenentwicklung entspricht dem Leitbild des Südcampus, wird allerdings in einer beruhigten Dachlandschaft von flachen Dächern umgesetzt.
Ahna-Park:
Der Ahna-Park wird in Verlängerung des Nordstadtparks fortgesetzt und räumlich zwischen der Bebauungskante und den Baumstrukturen entlang des Flusslaufes definiert. Die Campus-Promenade erschließt das Universtitätsgelände von der Parkseite und bildet den Übergang vom Campus in den Park. Der Uferweg ist landschaftlich geprägt und thematisiert mit verschiedenen Stationen am Wasser den Flußlauf. Die Rasenplateaus werden teilweise überhöht und bilden eien Kante zur Campuspromenade aus.
Es wird vorgeschlagen, das Mahnmal "Die Rampe" am Eingangsbereich des Ahna-Parks neu zu positionieren. Die abstrahierten Schienenstränge in Verlängerung der Moritzstraße versuchen, dem Kunstwerk einen adäquaten Raum für die Wirkung zu geben. Durch die Position an der Straße ist gesichert, daß das Mahnmal weiterhin öffentlich gut wahrnehmbar bleibt.
Materialität: Freiräume
Die Flächen der Außenräume der urbanen Achse werden teppichartig mit einfachen Natursteinplatten und pflaster belegt. Die Moritzstraße wird als verkehrsberuhigte Straße in die Freiraumestaltung integriert. Die Wege im Ahnapark haben eine wassergebundene Decke. Die Stützwände der Terrassen zum Park hin werden gärtnerisch bearbeitet. Über einen Wasserriesel wird die Ansiedlung von Moosen und Farnen in dem offenporigen Wandmaterial begünstigt. Die wichtigsten Bestandsbäume sowie der Hain an der Moritzstraße werden integriert.
Materialität: Architektur
Die Materialität der Architektur soll die Lesbarkeit der Kantenführung und der städtebaulichen Körnung unterstützen. Deshalb wird auf kleinteilige Binnengliederungen der Baukörper -wie sie den Südcampus auszeichnen- verzichtet. Präzise geschnittene Volumina mit metallischen und gläsernen Fassaden erzeugen zusammen mit den (werk-)steinernen Plateaus der überformten Topographie ein räumliches und materielles Kontinuum über die Einzelbauten hinweg. Die volumetrische Klarheit und Großzügigkeit der alten Fabrikgebäude, wie z.B. der Produktionshalle wird dabei zur Anregung.
Wirtschaftlichkeit:
Die gewählten Baukörperzuschnitte für Naturwissenschaften und Science Park ermöglichen effizient organisierbare und gut belichtbare ein - bis dreibündige Grundrisse für Büro und Labornutzungen mit wenigen notwendigen Treppenhäusern. Die drei bis vier Geschosse hohen Gebäude sind in bautechnischer und brandschutztechnischer Sicht einfach und kostengünstig erstellbar. Die Einzelbaukörper sind abschnittsweise realisierbar. Komplizierte Überlagerungen und gegenseitige Abhängigkeiten werden vermieden. Durch die Gliederung der Fassaden in öffentliche Seiten und Hofseiten wird eine kostensparende Ausdifferenzierung denkbar, ohne die Qualität des öffentlichen Raumes zu beeinträchtigen.
Ökologie und Energiekonzept:
Ziel der Planung ist die Ermöglichung von gut belichteten und natürlich belüfteten Arbeitsplätze bei geringem Energieverbrauch und moderaten Investitionskosten. Es wird hierfür vorgeschlagen, Geschossflächen mit direktem Außenluftbezug und Fassaden mit hohen Dämmstandards zu verwirklichen sowie das Verhältnis von Hüllfläche zu Volumen zu optimieren.
Durch den Einsatz von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung können die Lüftungsverluste weiter reduziert werden. Durch die gewählten Dämmstandards können auch Gebäude im Passivhausstandard realisiert werden. Wichtig bleibt es, trotz unterstützendem Einsatz von Technik bei gemäßigten Klimabedingungen wie z.B. im Frühjahr und Herbst auch eine rein natürliche Funktionsweise der Gebäude sicherzustellen.
Der reduzierte Verbrauch kann mittels Kraft-Wärmekopplung und dem Einsatz erneuerbarer Energien ökologisch gedeckt werden.