Jugendherberge Bremen
Wettbewerb 2003, 1.Preis, Realisierung 2003-05
Das Projekt ging als erster Preis aus einem Wettbewerb im Jahre 2003 hervor, den das Deutsche Jugendherbergswerk zusammen mit dem Land Bremen ausgelobt hatte. Anlaß für das Bauvorhaben war der Wunsch des Herbergswerks die Bettenkapazität seiner bestehenden Jugendherberge in Bremen zu erhöhen und den Standard der Gästezimmer zu verbessern. Die sanitären Einrichtungen mit Gemeinschaftsduschen der 1955 erbauten Herberge genügten den Ansprüchen nicht mehr. Außerdem präsentierte sich der Bau mit einem vollkommen geschlossenen Erdgeschoß zur Weser hin. Die Erschließung der Obergeschosse war nicht behindertengerecht und es fehlte an Gruppen- und Tagungsräumen. Das Raumprogramm für den Neubau sah daher neue Gästezimmer, ein großzügiges Foyer, vier Tagungsräume, ein Bistro und eine Lounge mit Zugang zur Dachterrasse vor.

Revitalisierung eines Altstadtquartiers

Für die Stadt Bremen war das Projekt ein wichtiger Baustein beim Vorhaben einer Revitalisierung des Weserufers und Faulenquartiers. Das Faulenquartier, in dem die Jugendherberge liegt, lag über Jahrzehnte im Schatten der Stadtentwicklung. Trotz seines mittelalterlichen Ursprungs ist das Gebiet bis heute durch den Wiederaufbau der 1950er Jahre geprägt und leidet trotz seiner Zentrumslage an Unterentwicklung. Auch der prominenten Uferpromenade „Schlachte“ fehlte es hier an Leben, obwohl die Uferpromenade wenige hundert Meter flussaufwärts überaus belebt ist mit Restaurants und Cafés. Dieses Leben soll durch die attraktive Jugendherbergserweiterung und weitere Baumaßnahmen, wie einen neuen Sitz für Radio Bremen, auf das Faulenquartier überspringen.

Landmark am Weserufer

Das Erscheinungsbild des Neubaus der Jugendherberge ist daher vor allem städtebaulich motiviert: Das Baukörperschema der Jugendherberge aus den 50 er Jahren, das aus einem Riegel mit Flachbau bestand, wird zu einem verdichtetem Ensemble von drei Bauvolumina ganz unterschiedlicher Gestalt, Höhe und Orientierung transformiert. Ein neuer kubischer Baukörper für die Gästezimmer zeigt weithin Präsenz als Landmark am Weserufer. Mit sieben Geschossen orientiert er sich an der Höhe der Nachbarbebauung, in seiner Stellung an den giebelständigen Häusern der Uferpromenade. Nach Westen hin schafft er eine Platzkante und wertet so eine räumlich bisher undefinierte Straßenerweiterung zum Platz auf. Nach Süden hin orientiert sich der Neubau zur Weser ohne den Wasserblick der Altbauzimmern zu verstellen. Nach Osten hält der gelbe Kubus Abstand zu den Nachbarn, deren Wasserblick ebenfalls erhalten bleibt. Allseitig ragt der neue Baukörper in die Straßenfluchten und erzeugt so Blickbezüge und spannungsreiche Verengungen des Stadtraums. Das zurückgesetzte Erdgeschoß reagiert auf den Strassenverlauf und schafft überdachte Vorzonen im Eingangsbereich und Freischankflächen für das Bistro.

Aufgrund der hohen städtischen Dichte auf der knappen Parzelle mußte das Gebäude das zur Verfügung stehende Grundstück vollständig ausnutzen. Die vollständige Überbauung wird jedoch kompensiert durch eine große holzbeplankte Dachterrasse auf Höhe des zweiten Obergeschosses, die als Freifläche auf der Etage einen großzügigen windgeschützten Außenbereich mit Weserpanorama bietet.

Vertikale Zonierung:

Die beiden unteren Geschosse und das 2. Obergeschoß des Neubaus nehmen die gemeinschaftlichen Nutzungen wie Foyer, Bistro, Speisesaal und Tagungsräume auf. Darüber liegen die Gästezimmer als Zwei- und Vier-Bett-Zimmer mit jeweils eigener Dusche und WC. Die Gästezimmer im Altbau wurden vollkommen neu eingeteilt, wobei die Eingriffe in tragende Wände minimiert werden konnten. Vor dem Umbau entsprach eine Fensterachse des Altbaus je einem Vierer-Zimmer, wobei Gemeinschaftsduschen und -WCs über den Flur zu erreichen waren. Die neuen Räume, als Vier-und Sechs-Bett-Zimmer mit eigenen Sanitärräumen nehmen überwiegend zwei Fensterachsen ein und sind somit auch besser belichtet. Die Kapazität der Jugendherberge wurde insgesamt von 170 auf 220 Betten erhöht.

Vielfalt der räumlichen Situationen

Innenräumlich ist die erweiterte Jugendherberge nun vielfältig, vor allem wegen des differenzierten Schnitts des Neubaus und dem sehr tiefen Grundriss der beiden unteren Geschosse. Das zentrale Foyer ist ein introvertierter, doppelgeschossiger Raum mit Oberlicht. Das Foyer ist das Zentrum, bzw. der Dreh- und Angelpunkt des Hauses, von dem aus die Gästezimmer, der Speisesaal, die Tagungsräume und sonstige Gemeinschaftsbereiche erschlossen werden. Eine kontinuierliche Erschließungsspirale führt, im Erdgeschoß beginnend, über einen Patiobereich im ersten Obergeschoss bis auf die öffentliche Terrasse des 2. Obergeschosses. Der ungewöhnlich lange Speisesaal im ersten Obergeschoss öffnet sich mit seiner Längsseite zum Wasser und profitiert so an allen Plätzen vom schönen Ausblick. Die dreiseitig vollverglaste Lounge an der Terrasse bietet hingegen einen Panoramablick auf das Wasser zwischen den Baumkronen hindurch. Im verglasten Lift erlebt man den differenzierten Schnitt des Neubaus als vertikale Sequenz.

Differenzierung der Fassaden

Der unterschiedliche Außenraumbezug der Räume wird unterstützt durch den Einsatz verschiedener Fassadensysteme. Der vertikal aufragende gelbe Baukörper, hat eine Lochfassade, deren Fenster aber bündig ausgeführt wurden. Die Ansichtskanten der Geschoßdecken sind hier an der Fassade nicht ablesbar, um die Stapelung von Geschossen zu überspielen und das volumetrische Ganze zu betonen. Die geschoßhohen Fenster besitzen farbig lackierte Blendrahmen aus Aluminium, die bündig mit den punktgehaltenen Gläsern der Wandverkleidung abschließen. Glasbrüstungen ermöglichen es, die Fenster als französische Fenster vollständig zu öffnen.

Im Gegensatz dazu betont das auberginefarbene erste Obergeschoss die Horizontale und bezieht seinen plastischen Reiz aus tiefen Laibungen. Als Material wurden hier großformatige Alucubondtafeln gewählt. Die zurückgesetzte lange Bandfassade zur Weser hin wurde als vollverglaste Pfostenriegelkonstruktion ausgeführt ebenso wie die Glasfugen im EG, Liftbereich und zweiten Obergeschoss.

Resonanz und Reibung

Die Erweiterung der Jugendherberge folgt insgesamt nicht einem ästhetischen Ideal des ‘harmonischen, organischen Ganzen’, sondern setzt Alt und Neu bewußt in ein Verhältnis von Resonanz und Reibung zueinander. Diesem auf Modulationen und leichten Disharmonien beruhenden Konzept folgt auch die Farbgebung der Erweiterungsbauten. Das Aubergine des Flachbaus lehnt sich an den rot-braunen Ziegelton der Altbaufassaden an, ist aber hochglänzend, nicht matt und porös wie die Ziegel. Der dunkle Ton bringt kontrastierend die hellen Gelbtöne des neuen Bettenhauses zum Leuchten. Die Modulation der Zitronen-, Orange-, Gelb und Beigetöne enthält ebenfalls leichte Disharmonien, die erfrischend wirken. Sowohl das dunkle Aubergine, als auch die Gelbtöne lassen das Gebäude je nach Lichtstimmung und Blickrichtung, anders wirken; immer aber leuchtet es weithin als Signal, wie die gelb markierten Schiffahrtszeichen in der Weser.

Bauherr: 
Deutsches Jugendherbergswerk,
Landesverband Unterweser-Ems

Architekten: raumzeit: Jan Läufer, Gunnar Tausch, Friedrich Tuczek
Mitarbeit: Julia Neubauer, Olaf Pfeifer, Michael Stollenwerk, Gudrun Styhler, Daria Grouhi,
Phillip von Kap-herr, Henning Sigge

Projektsteuerung: HOL-Ing, Berlin

Tragwerksplanung: Greschik, Falk & Partner, Berlin/Lörrach

Haustechnik: IGS; Schwerin

Fotografie: Werner Huthmacher

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