Vorarlberger Landesmuseum Bregenz
Wettbewerb 2007, in Arbeitsgemeinschaft mit as-if architekten: www.as-if.info
Zwischen Stadt und See

Der Bau des Vorarlberger Landesmuseums liegt an der Schnittstelle zwischen der kleinteiligen Textur der Bregenzer Altstadt und den Solitärbauten entlang des Sees. Dabei fallen dem Altbau- und dem Neubauteil verschiedene städtebauliche Aufgaben zu: Zur Stadt hin, an der Kornmarktseite, äußert sich schwerpunktmäßig der Neubau, der hier die programmatisch gewünschte Öffnung des Museums nach außen hin formulieren kann. Die Seeansicht als Teil der kulturellen „Perlenkette“ hingegen wird durch den Altbau in seiner Überhöhung durch den Neubaukörper geprägt.

Die Lage zwischen zwei Freiräumen sehr unterschiedlichen Maßstabs - dem Kornmarkt im Süden als städtischem Raum und dem Bodensee im Norden als landschaftlichem Bezug - verleiht der örtlichen Situation eine Ambivalenz, die dadurch produktiv verstärkt wird, daß Neu- und Altbau zu einem einzigen Gebäude zusammengefaßt werden.

Kompakt, doch dynamisch

Der Neubau ergänzt den bestehenden Bau der Bezirkshauptmannschaft zu einem kompakten Volumen. Ein mehrgeschossiges Foyer öffnet den Baukörper zur Stadt hin und verbindet die Außenräume von Platz und Innenhof. Dieser Bewegungs- und Austauschraum bereichert das kompakte Gesamtvolumen um ein expansives Moment. Zum Kornmarkt hin wird er als große Öffnung in der ansonsten homogenen Hülle aus perforierten Metalltafeln deutlich sichtbar. Hinter der bei Tage auf den ersten Blick massiv erscheinenden Fassade verbergen sich einzelne großformatige Fensteröffnungen, die bei Beleuchtung der dahinter liegenden Ausstellungs- und Vermittlungsräume nach außen präsent werden und in Dialog mit dem Stadtraum treten.

Zum Kornmarkt hin tritt die Fassade in den beiden oberen Geschossen vor und verstärkt so die Plastizität des Baukörpers. Zur Seeseite hin zeigt sich das neue VLM als schimmernder Kranz über dem Steinmassiv des Altbaus. Das umlaufende Muster der perforierten Metallplatten suggeriert Bilder von bewegtem Wasser und läßt, vor allem zum Kornmarkt hin, die Nähe des Sees spüren.

Räumliche Angebote

Das innere Gefüge des neuen Museums wird geprägt durch spannungsvolle Sequenzen komplementärer Räume. Das Raumangebot des Altbaus mit seinen Folgen kleiner, kabinettartiger Räume wird dabei im Neubau durch große, vielfältig bespielbare Räume ergänzt.

Gleichzeitig kontrastiert der vertikale Erschließungsraum mit den horizontal geschichteten Ausstellungsflächen. Auf den Ebenen wiederum sind verschiedene Grade von Introversion und Extraversion im Wechsel zwischen Ausstellungsbereichen und Bewegungsflächen möglich.

Die Grundrißstruktur ordnet sich um einen quadratischen Innenhof, der sich nach oben hin aufweitet. Seine teilweise verglasten Fassaden ermöglichen, wo gewünscht, eine natürliche Belichtung der angrenzenden Hauptausstellungsflächen. Blickbezüge zwischen verschiedenen Ausstellungsbereichen und – ebenen erleichtern die Orientierung der Besucher und machen zusätzlich Lust darauf, die verschiedenen Sammlungsbereiche zu erkunden.

Funktionale Disposition

Der Haupteingang zum neuen Museum liegt, von außen her einsehbar, am Kornmarkt. Das Foyer mit seinem dreigeschossigen Luftraum ist zentraler Anlaufpunkt für alle öffentlichen Veranstaltungen des VLM. Als kommunikativer Raum verknüpft es Veranstaltungssaal, Projektraum, Vermittlung und Café untereinander und mit den Ausstellungsflächen. Etwas weiter im Gebäudeinnern entscheidet sich der Besucher, ob er den Rundgang der Hauptausstellung im Erdgeschoß antritt, über die am Innenhof liegende Treppe das Café oder den Vermittlungsbereich im ersten Obergeschoss aufsucht oder den Aufzug benutzt, um die Sonderausstellung auf der obersten Ebene zu besichtigen. Alternativ führt auch die Treppenanlage im Foyerraum vom Café aus auf die oberen Ebenen weiter, wobei sich panoramaartige Ausblicke auf die Stadt bieten. Der letzte Treppenlauf taucht von unten in den künstlich belichteten, abgedunkelten Sonderausstellungsbereich auf; der Übergang wird durch den Wechsel der Lichtstimmung akzentuiert.

Die Verwaltung ist im östlichen Seitenflügel auf zwei Ebenen angeordnet, die intern über das Altbautreppenhaus und den bestehenden Aufzug miteinander verbunden sind. Zwei neue Fluchttreppenhäuser mit Aufzug bzw. Lastenaufzug liegen im Westen und Osten des Neubaus jeweils im Anschluß an den Altbau. Die Anlieferungszone, zum Kornmarkt hin in der südöstlichen Ecke des Erdgeschosses angeordnet, hat direkten Kontakt zum Veranstaltungsraum und ist zudem über die vorhandene Türe im östlichen Seitenflügel zugänglich. Das Depot im Untergeschoss, das Café im ersten Obergeschoss sowie alle Ausstellungsbereiche können direkt über den Lastenaufzug beliefert werden.

Bestandsbau als Potential

Der Bestand des Bezirkshauptmannschaft-Gebäudes aus seiner Erbauungszeit, mit seiner einhüftigen, U-förmigen Grundrißstruktur wird erhalten. Der bisherige Haupteingang des Baus wird durch die neue Lage des Haupteingangs am Kornmarkt nicht funktionslos, sondern dient als externer Eingang zu den Verwaltungsbereichen im Seitenflügel. Die repräsentative Haupttreppe wird in den Museumsparcours als vertikale Verbindung einbezogen.

Durch den partiellen Abbruch der seitlichen Hofwände und den Abbruch der Nebentreppe werden die beengten Korridore aufgelöst. Die Belichtungssituation der Bewegungsflächen über den Hof bleibt jedoch erhalten. Durch den Umbau wird der Innenhof zu einem positiv gestalteten Außenraum von klarem, prismatischem Zuschnitt. Auch von hier aus wird das neue Landesmuseum als räumliche Einheit wahrnehmbar.

Raumkonfigurationen

Zwei sich ergänzende Erschließungssequenzen lassen variable Raumkonfigurationen in der Organisation der Ausstellungsbereiche zu. Diese können zu einem kontinuierlichen Parcours zusammengeschlossen werden, lassen sich aber auch separat erschließen.

Folgt man dem Parcours der Hauptausstellung, so beginnt man im westlichen Seitenflügel des Erdgeschosses und erreicht über das Treppenhaus des Altbaus die Ausstellungsräume im 1. Obergeschoß, wobei man vom Altbau in den Neubau mit seinen größeren Raumzuschnitten übertritt. Über den Hof tangierende Treppen erreicht man das 2. und schließlich das 3. Obergeschoß, wo sich abschließend der Ausblick auf den Bodensee öffnet.

Die Sonderausstellungsfläche auf der obersten Ebene wird über die Foyertreppe oder optional über den Aufzug erreicht. Dieser Bereich ist so positioniert, daß sich ein Gang durch die Hauptausstellung im Anschluß an die Besichtigung der Sonderausstellung anbietet.

Das vorgeschlagene Erschließungssystem ermöglicht es, Hauptausstellungsflächen in die Sonderausstellung einzubeziehen, aber einen kontinuierlichen Rundgang durch andere Bereiche der Hauptausstellung über das Altbautreppenhaus weiterhin zu gewährleisten.

Darüber hinaus bieten sich zahlreiche Mischvarianten an, die eine Vernetzung der Ausstellungsthemen ermöglichen. Unterschiedliche Rundgänge können einzelne Themeninseln miteinander in Beziehung setzen, wobei sich über die verglasten Innenhoffassaden visuelle Bezüge zwischen den Themenbereichen ergeben können. Eine weitere Option auf Variabilität entsteht durch Kombinationsmöglichkeiten von Ausstellungen unterschiedlicher Größe. Durch die Auskoppelung einzelner Raumbereiche aus dem Rundgang kann zeitgleich der Fokus auf diverse Schwerpunkte gerichtet werden.

Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit in Errichtung und Nutzung wird zunächst durch das kompakte Volumen gewährleistet. Bei der Aufstockung des Altbaus wird der Eintrag zusätzlicher Lasten durch den Einsatz einer leichten Konstruktion vermieden. Der Hofbereich der Bezirkshauptmannschaft wird nicht unterbaut. Dadurch wird der Aufwand im Gründungsbereich reduziert. Die rationelle Grundrißstruktur führt im Neubauteil zu wirtschaftlichen Spannweiten und zu einem unkomplizierten Rohbau. Dauerhafte und wartungsarme Materialien, z.B. der Metallfassade, tragen zu einem wirtschaftlichen Betrieb bei; ebenso der geringe Anteil verglaster Flächen und deren außenliegende Verschattung. Ein ökologisches Konzept, das unter anderem mit differenziert temperierten Raumbereichen und Wärmerückgewinnung arbeitet, reduziert den Verbrauch an Primärenergie und macht des neue Vorarlberger Landesmuseum zu einem nachhaltigen Gebäude.

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